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Irgendwo in Nepal

Bright Future  - in dem Namen dieser Schule fokussiert sich Hoffnung  gegen Fatalismus.  Nepal,  Zielort früher Träume ist nun erreicht.  Erinnerungen  kehren wie Einsprengsel zurück  beim Landeanflug auf  Kathmandu:  James Hiltons, „Lost Horizon"  oder Lobsang Rampas „ Das dritte Auge", Shangri -La,  das unbekannte Refugium, Mustang , geheimnisumwobenes Königreich, das sich lange jedem Tourismus widersetze.

 

Dazu Tiziano Terzanis erst idealisierende und dann an der Realität überprüfte skeptischer werdende  Berichte im Spiegel.

All das ist in meinem  Kopf beim Betreten der schlichten Flughafenhalle des Kathmandu International Airport.

Die Eingangshalle  entspricht der Vorstellung einer abgelegenen Region  ebenso wie die Abwicklung der Einreiseformalitäten ohne Computer von gelangweiltem Personal,  nach nicht nachvollziehbaren Kriterien geregelt. Nur das Einkassieren der Visagebühr geht zügig vonstatten. Das Begrüßungskomitee der Schule  allerdings erfüllt  alle Erwartungen an ein farbenfrohes und heiteres Nepal. Hübsche Mädchen in der roten Landestracht, kleine Kavaliere in Anzug und Schlips der Schulkleidung empfangen uns mit strahlenden Gesichtern. Ein Banner wird ausgerollt,  und wir werden mit Blumengirlanden und gelben Tüchern umhängt und herzlich willkommen geheißen. Ein Hauch von malerischem Paradies am Fuße des Himalayas.

 

Es ist heiß und die Luft ist stickig. Der Schulbus wird uns nach Naikap bringen, einem Stadtviertel  irgendwo  in den Außenbezirken Kathmandus.  Die Stimmung im Bus zusammen mit den Kindern ist fröhlich,  und sie sind neugierig auf uns - wer weiß, was ihre Lehrer ihnen erzählt haben. Besonders die Fotoapparate mit der Möglichkeit sich  sofort zu sehen haben es den Kindern angetan. Beim Blick aus dem Fenster aber tritt dies zurück, und es verflüchtigen sich die  Illusionen der mitgebrachten Vorstellungen. Erst fällt es schwer zu glauben,  aber mehr und mehr steigt die Ahnung auf nach unserer Fahrt durch Laos  hier noch mehr Armut zu erleben , Armut,  die an die Elendsgrenze reicht.

 

Kathmandu, in einem  Kessel gelegen,   aus dem Smog nicht  entweichen kann, Smog der von fossilen Brennstoffen, unzähligen Mopeds und stinkenden PKW und LKW erzeugt wird. Wie man hier leben kann,  ohne an den Atemorganen zu erkranken,  bleibt ein Rätsel. Bei  unserer Reisegruppe,  einige von uns sind  gleichzeitig Mitglieder des Freundeskreises Nepal, fangen das Kratzen im Hals und der leichte Anstoßhusten schon während der Fahrt an. Die schon einige Zeit vor Ort arbeitenden Freunde, die uns am Flughafen begrüßten  - die „Mutter des Patenschaftsprogrammes" Claudia  Salamon,   und die Vertreterinnen der zukünftigen Partnerschulen  sind dieser Luft und den allgemeinen Bedingungen um uns herum  schon länger ausgesetzt -  ein Cocktail aus Vitamin D und Gelbwurz soll uns stabil halten- so die mitreisenden Ärztinnen unserer Gruppe.  Die ersten Bilder,  die an uns vorbeiziehen sind nur schwer zu ertragen. Dreck und Armut, chaotischer Verkehr und eine latente Hässlichkeit wohin man blickt. Nur in der Nähe des Regierungsviertels  ändert es sich- dafür schaut man auf Wachtürme und Soldaten mit Maschinengewehren auf Lafetten  mitten in der Stadt. Ein sicheres Zeichen von Gewalt mit Angst gepaart,  der seit der Ermordung der Königsfamilie und Abschaffung des Königtums nun hier herrschenden Maoisten.

Der Schulbus hält in Naikap, einem dorfähnlichen Stadtteil am Rande Kathmandus,  ohne Straßen. Es sind Sand- und Steinwege in einer braun verbrannten und ausgedörrten Landschaft. Seit Monaten hat es hier nicht geregnet,  und alle warten sehnsüchtig auf den Monsun. Wie man dann aber hier bei starken Monsunregen leben kann,  ist eine weitere Frage. Wir klettern den Weg hinauf zum Schamanenzentrum,  wo wir die nächsten Tage wohnen werden. Auch hier wieder eine so herzliche Begrüßung,  die uns  alles um uns herum vergessen lässt.

 

Das Haus ist einfach und vor unserer Ankunft gesäubert. Wir wohnen in schlicht ausgestatteten Zweibettkammern und richten uns ein. Hier muss man möglichst viel bei Tageslicht erledigen. Die maoistische Regierung lässt nur vier  Stunden Strom zu,  und das jeweils in den einzelnen Stadtvierteln nacheinander. Man weiß nie genau wann es soweit ist. Mal hat man Strom von 1 - 4 Uhr morgens wenn alles schläft, mal tagsüber. Eine Überraschungsangelegenheit ohne Generator , dafür mit Kerzen und Petroleumlampen. Ein uns ungewohnter Anblick,  diese Kerzen auf den Treppenstufen, wenn wir zum Dach hinaufsteigen um den leichten Wind gegen die Hitze zu genießen, fast schon romantisch wenn es nicht so elend wäre und die Stupidität einer Regierung bezeugen würde, die  so keine Arbeitsplätze schaffen wird . Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrizität lehrte einst Lenin und meinte mit Elektrizität metonymisch die  industriell erzeugte  Güterfülle. Hier scheint man noch nicht einmal das  zu verstehen, und es bleibt ein weiterer Niedergang des Landes  zu befürchten.

 

In einem ersten Treffen informiert uns Claudia Salamon  - „foster mother Claudia Maria „ wird sie hier genannt- über den Stand der Projekte. Eine beeindruckende Arbeit  ist hier in den letzten Jahren vom Freundeskreis Nepal geleistet worden. Bei aller Skepsis Organisationen gegenüber ist hier ein Beispiel, bei dem Engagement, Herzlichkeit, Intelligenz, Organisationsgeschick und Attitüdenlosigkeit eine Verbindung eingehen,  die Nachhaltigkeit erwarten lässt.

Unsere Ankunft hat sich herumgesprochen, und überall schallt uns ein herzliches Namaste  entgegen, Hände werden zusammengelegt und das Gesicht uns entgegen gewandt. Dieses Namaste  wird uns die nächsten Tage begleiten,  und es ist keine Floskel.  Zugewandtheit und Freude drücken sich hierin aus. So viel Strahlen, Unbeschwertheit und Freude bei den Kindern macht auch uns glücklich. Nur in den Gesichtern vieler Erwachsener zeigt sich die Not - auch wenn sie es eigentlich nicht zeigen wollen. Wir fahren in die Bright Future School,  wo wir mit hundertfachem  Namastei und durch ein Spalier von Eltern, Kindern und Lehrern zum Versammglungsplatz der Schule geführt werden. Wir sitzen unter einem großen Sonnensegel, und auf einer kleinen Bühne verfolgen wir neben den Begrüßungsansprachen eine gekonnte Abfolge von Musik und Tanz, die uns strak beeindruckt. Hierin zeigt sich auch die Besonderheit dieser Schule, die bei allen Wettbewerben in Asien zu den Siegern gehört. Die Schulleiterin der Dieter-Forte-Gesamtschule in Düsseldorf und eine Vertreterin der Konrad -Schlaun - Gesamtschule Nordkirchen , die hier an Schulprojekten teilgenommen haben,  überbringen  die Grüße ihrer Schulgemeinden  nebst Spenden. Der Freundeskreis Nepal hat  weitere  40000 Euro Spenden für den Schulneubau gesammelt, und der symbolische Check wird überreicht.

 

Viel Beifall und dann folgen weitere Tanzdarbietungen. Wir werden auf die Bühne geholt,  und alles endet im gemeinsamen Tanz. Erst jetzt merken wir, dass diese Feier fast  4 Stunden gedauert hat,  und fahren zurück in unser Zentrum wo wir schon von vielen Kindern Naikaps erwartet werden.

 

Am nächsten Tag  ist Sprechstunde. Mütter kommen mit ihren Kindern, um ein Stipendium für den Schulbesuch der Bright Future School zu erhalten. Interviews werden geführt, Fotos gemacht und am Ende gibt es 12 neue Patenkinder, die ab nächste Woche in diese Schule mit Ganztagsbetrieb und Schulspeisung gehen können. Die Kinder sind die Zukunft des Landes, denn ohne Bildung gibt es keine  Zukunft. Dies ist das Konzept des Freundeskreises. Gekoppelt ist der Schulbesuch der Mädchen und Jungen mit der Teilnahme der Mütter an der Abendschule. Hier lernen sie Lesen und Schreiben, erschließen sich den Zugang zu Informationen. Es ist ein Stück Hilfe zu mehr Würde und Emanzipation der Frauen und wird auch so empfunden. 300 Mütter nehmen an dieser Abendschule teil. Der Verein hat gerade Bänke angeschafft, bisher saßen sie während des Unterrichts auf dem Boden. Wir gehen in die Familien der Patenkinder und prüfen, ob alles den Absprachen entspricht und das Geld, das über das Schulgeld hinaus für besondere Zwecke  bezahlt wird wie Medikamente bei  schweren Erkrankungen,  auch so genutzt wird wie geplant. Ist dies nicht der Fall, wird dies besprochen, oder die Gelder werden in andere Hände gelegt.

 

Zurück von den Hausbesuchen,  werden die Erfahrungen ausgetauscht, Berichte verfasst und die Aufgaben für den nächsten Tag verteilt. Unsere Ärztinnen berichten über ihre Krankenbesuche und ihre Sprechstunden unter freiem Himmel und in Höfen.

 

Am nächsten Morgen ist Baubesprechung. Die Schule muss neu gebaut werden. Eine Straße teilt die Gebäude und macht den Schulweg  lebensgefährlich, und diese Straße wird jetzt erweitert und  nimmt der Schule den Raum. Die Schulleiter aus Naikap und Deutschland diskutieren zusammen mit Vertretern des Freundeskreises die Baupläne. Die neue Schule rückt näher ans Viertel heran, das Land ist gekauft und nicht gepachtet. Es gibt genug Fläche auch für angrenzende Sportanlagen. Alles sieht gut aus. Jetzt warten wir auf den Monsunbeginn,  denn ohne Wasser - wie jetzt in der Dürre - kann nicht gebaut werden. Und noch eine Hürde ist da. Die Maoisten wollen von allem  25% Steuern kassieren. Unsere Linie ist klar: keine Spenden mit Abzug - auch das ist Programm des Vereins,  so wie auch kein Cent in Verwaltungskosten geht.

 

Umzüge von zwei  Familien stehen auf dem Programm. Der Besuch in den Familien der neuen Patenkinder hat teilweise erschreckende Wohnverhältnisse offenbart. Zimmer oder Ladenverschläge mit Rollgitter für 4 Persone ohne Tageslicht, Strom, Wasser und Toilette n - kaum zu glauben wie man dort leben kann,  kaum zu glauben wie  die Mütter es schaffen ihre Kinder zu ernähren und so sauber und adrett in die Welt zu schicken. Mit Hilfe des Schamanen und seines Sohnes - sie kennen jeden hier im Bezirk - gelingt es uns Zimmer anzumieten,  die ein menschenwürdiges Wohnen erlauben. Auch hier kann man sich einbringen und die Miete von ca. 12 € im Monat macht dies möglich und gibt wieder Hoffnung für Familien. Dazu gibt es für den Start einen Grundeinkauf nach Claudias Liste für Grundnahrungsmittel für die nächsten Wochen. Eine Diskussion über den sogenannten „Tropfen auf den heißen Stein „ ist nicht zu verstehen. Auch nur eine Familie ins Leben zurückzuführen ist jede Anstrengung wert.

 

Ein letztes Bild bei unserem Abschied prägt sich ein. Es war uns nur am Rande aufgefallen, dass wir keine  Ball spielenden Kinder gesehen haben. Ein Fußball und ein Netz anderer Bälle wird  den Kindern am Morgen geschenkt, und als wir in den Minibus steigen der uns zum Flughafen bringt, sehen wir eine Schar Jungen,  die sich ein Feld mit Toren geschaffen haben und so begeistert Fußball spielen, dass sie unsere Abfahrt nicht bemerken.

Verfasser:  © 2010 Dr. Burkhard Mielke

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